Ein schöner Start in einen erfolgreichen Urlaub :D (Teil 1)
Ich hasse Ferien. Ich weiß, ich liebe Ferien, aber ich hab neuerdings beschlossen sie zu hassen. Zumindest manchmal. Zum Beispiel, wenn folgendes passiert:
Du leihst dir das Auto deiner Mom, die im Urlaub ist und erst Montag heimkommt. Es ist Donnerstag Abend und du beabsichtigst, am Folgetag um 7:00 vom ZOB mit einem Fernbus der Marke MeinFernbusFährtNiePünktlichLos mit Zwischenstation in München bis nach Innsbruck zu fahren, um in der näheren Umgebung deinen Gleitschirmflug-Grundkurs zu absolvieren. Du steigst ins Auto deiner Mom, ein blauer Fiat Punto Baujahr 1692, startest den Motor dreimal (bis nurnoch die Lichter des Amaturenbrettes blinken, die es auch sollen) und hörst ein seltsames Rattergeräusch, das beim letzten Mal noch nicht da war. Du denkst dir „Hm, das Ding stand hier nur rum, kann ja nix passiert sein“ und fährst los. An jeder Ampel jedoch, an der der übliche Fahrlärm abschwillt, hörst du wieder dieses bedrohliche Poltern von unterm Auto, und trotz deiner Umfangreichen Ahnungslosigkeit, was Autos betrifft, beginnst du zu ahnen: iiiirgendwas stimmt doch mit dem Auspuff nich. Nach der dritten Ampel, als selbst „Bubbles“ von SOAD das Rattern nicht vollständig übertönen konnte, kannst du das Wehklagen dieser Fahrenden Brotbox nicht mehr ignorieren und beschließt nach Hause zu fahren und sie abzustellen. Weil du ein schlaues Bürschchen bist, revidierst du diesen Gedanken sogleich und tauscht ihn gegen „ Ich fahre gleich zum Mechaniker“, denn wenn Mom am Montag aus dem Urlaub kommt und am Dienstag nicht zur Arbeit fahren kann, dann gibt’s halt erstmal Ärger. Und Ärger mag ich nicht so gern. Ist meistens mit großen Diskussionen und lauten Geräuschen verbunden, passt alles nicht so ganz in meinen Lieblingstagesablauf: Essen, Dexter, Essen, Sport, Essen, New Girl, Schlafen. Also keine Option. Stattdessen fährst du zum Mechaniker und versuchst ihm zu erklären, dass dein Auto scheinbar denkt, es müsse die Akustik einer dieser Drehtüren am Ausgang von Freibädern imitieren, und du gerne wüsstest, ob der mobile Blechhaufen jetzt in den nächsten Minuten seine endgültige anorganische Apoptose durchläuft, oder der Ausflug zum Kumpel und zurück noch verkraftbar ist, doch der winkt ab und meint, er habe jetzt Feierabend, es sei schließlich zehn vor vier und die anderen seien auch schon alle weg. Also gehst du zurück zu Plan A und startest den Wagen, um ihn Zuhause abzustellen. Als der Mechaniker aus der Tür tritt und meint „ Ach dieses Rattern meinste, na dit is der Auspuff, dit is jar keen Problem damit können se ruhig noch rumfahren, wird jetzt nich einfach abfallen oder so. Aber würd ick trotzdem mal jemanden rüberschauen lassen, komm‘se doch morgen vorbei“, freut sich dein innerer Schweinehund, wenngleich sich das mit dem Vorbeibringen die nächsten Tage schwierig gestalten könnte. Österreich und so. Aber das klingt stark nach einem Futur-you Problem.
Also fährst du los und ignorierst das Rattern. Bis sich etwa zwischen den U-Bahnhöfen Bayerischer Platz und Eisenacher Straße beim Anfahren zu dem klaklaklaklaklaklaklak ein klonkchrrrrrrrrrrrrrrrrrr dazugesellt. Und irgendwie weißt du instinktiv: Das ist kein gutes Geräusch. Eher so ein „Phhh … ich glaub ich brauch jetzt ‘n Toast“ -geräusch. Oder wie wenn du dein Herz abhörst und ein „Dammdammschsch … Dammdammschsch … Dammdammschsch“ vernimmst und denkst „Hey, was ist schlimmer, dass ich ‘ne Herzklappenstenose habe oder nie wieder Schmiddis Imitation davon aus dem Kopf bekommen werde?“. Gift halt.
Du versuchst nun krampfhaft und hektisch, ruhig zu bleiben, und lenkst das Gefährt mit den heraushängenden Organen von der Geradeausfahr- über die Abbiegerspur auf die rechte Querstraße mit dem Vornamen Martin-Luther-, was bewirkt dass dein Rasselkonzert für ein paar Strophen von einem Hupcanon der mitfühlenden und verständnisvollen, automobilen Mitbürger um dich herum begleitet wird. Dort findest du zum Glück sogleich einen freien Parkplatz und begutachtest den Schaden. Verstehst aber nix. Naja du erkennst in dem schlecht beleuchteten Raum zwischen Auto und Asphalt, dass da eine Verbindung zwischen den beiden herrscht, die da eigentlich nicht sein sollte und höchst wahrscheinlich das ist, was vor kurzem noch ein sehr durchgerosteter Auspuff war.
Du wägst gründlich alle Optionen ab, und entscheidest dich für „Ich fahr einfach erstmal mit der U-Bahn weiter zur Verabredung, um das Auto kann sich jetzt eh keiner mehr kümmern, es ist ja nach vier“. Dass dir deine Mom, nachdem du Essen warst und nach Erhalt deiner Nachricht, dass sie sich bei dir manifestieren möchte, um eine semi-erfreuliche Nachricht in Empfang zu nehmen, klarmacht, dass du dich sehr wohl noch um das Problem kümmern kannst, hättest du dir eigentlich auch denken können.
Sie erklärt dir also die absolute Notwendigkeit dessen, dass das Auto am Dienstag fahrtauglich ist, und dass du dich zumindest darum kümmern musst, dass es in der Nähe der Werkstatt geparkt ist, wenn jemand in naher Zukunft den Ersatzautoschlüssel zum Mechaniker gebracht hat, sodass dieser den Schaden behebt.
Du beendest also die Unterhaltungsrunde im Restaurant und machst dich nach diversen Gesprächen organisatorischer Natur mit deiner Schwester, ihrem Freund, der Fahrzeugmechaniker ist, und deiner Mom auf den Weg zur Martin-Luther- Ecke Grunewaldstraße. Dort angekommen findest du das Auto wider Erwarten im selben Zustand vor, wie du es verlassen hast. Klar, da war in gewisser Hinsicht mit zu rechnen, aber ist es denn zu viel verlangt, dass der Typ, der da oben angeblich hockt und für dich zuständig ist, einmal die Chipstüte weglegt, sich aus dem Sofa hievt und einen Finger für dich krümmt? Wahrscheinlich schon. Wahrscheinlich lief „Saturn – Tag & Nacht“. Oder „The Voice of Milky Way“. Oder so’n Scheiß.
Also versuchst du, durch blickloses Herumfummeln den herunterhängenden Auspuffteil irgendwie provisorisch am Rest der Karosserie zu befestigen. Klappt auch ganz gut, bis du drei Meter fährst und das Ding wieder abfällt. Klonk-Chrrrrrrrr. Mittlerweile ist es stockfinster und du parkst in der Einfahrt einer kleinen Nebenstraße um einen erneuten Versuch zu wagen. Dabei benutzt du dein Handylicht als Taschenlampe und legst es so unters Auto, dass es die Rostwunde in strahlendem rot erleuchten lässt. Hier wird dir leider zum Verhängnis, dass du mit 16 Jahren innerhalb von 6 Monaten etwa 80 cm gewachsen bist und deine Sehnen und Bänder das Memo damals nicht bekommen haben, was sie dir bis heute vorwurfsvoll in Erinnerung rufen, indem du nach etwa anderthalb Minuten Knien erstmal aufstehen und zwei Runden ums Auto die Schmerzen offwalken musst. Umarme den Schmerz, pflegt ein guter Freund mit Namen Arlen Strohballen zu sagen.
Daraufhin versuchst du es hockend und blind weiter, und siehe da, nach nur 11 Minuten und 16 Sekunden etwa hälst du den gesamten Auspuff in deiner Hand. Abzüglich drei Viertel die davongerostet sind.
Freudig legst du die kläglich anmutenden Überreste in den Kofferraum, springst rein und erfreust dich an dem Gedanken, dass das blöde Ding nun nicht mehr dein Problem ist.
Fährst ohne Taktaktak, Chrrrr und Huphuphuuuuuuup zu besagtem Mechaniker zurück und bereitest dich darauf vor, zuhause schnell zu packen und dann zu schlafen, damit du nicht allzu fertig bist wenn du morgen den Bus nimmst.
Wie zur Versöhnung beschert dir der Typ da oben einen Parkplatz, etwa 5 Meter von der Auffahrt des Mechanikers entfernt. Du steigst aus und checkst, ob nicht etwas aus deinen Taschen zwischen die Sitze gefallen ist. Du merkst: Doch, dein Handy, und siehst nach. Dann tastest du etwas nervös und blind unter den Sitzen rum während du immer hektischer wirst. Und auf einmal siehst du dein Handy. Ganz klar siehst du es vor deinem geistigen Auge auf dem Gehweg liegen, dort wo du es als Lampe für dein kleines Automechaniker-Erlebnis benutzt hast, gesplitterter Bildschirm, zerkratzter Rücken. Vielleicht noch ein Bisschen Dreck von deinem Autoreifen, mit dem du das Ding vermutlich plattgefahren hast.
Also hop, wieder rein ins Auto, 5 Minuten fahren mit nur dem einen Gedanken:
Scheißescheißescheißescheißescheißescheißescheißescheiße…
Schon von weitem siehst du, dass da nix liegt, aber du steigst natürlich trotzdem aus und fängst an, an den wahrscheinlichsten Orten nachzusehen. Unter den Nachbarautos, vielleicht ist es ja beim losfahren weggeschlittert und ist nach einem ungünstigen Abprall vom Bordstein hinter den Reifen des 8 Meter weiter auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkten Combi gerutscht. Etwa 5 Meter in beide Richtungen des Gehwegs, vielleicht hast du ja doch nicht in der Einfahrt hier geparkt sondern bist 5 m auf dem Bürgersteig gefahren und dann erst angehalten, ohne es zu merken.
Du siehst dich auch nach Leuten um auf der Straße oder auf Balkonen, die möglicherweise was beobachtet hätten. Natürlich Fehlanzeige. Bei TKKG war IMMER irgendeiner da der was gesehen hat. IMMER.
Langsam akzeptierst du den Fakt dass du als Mongo geboren wurdest und dafür einen regelmäßigen Tribut zahlen musst. Hier (mal wieder) in Form eines 2 Wochen alten Samsung Galaxy s III Minis. Geknickt fährst du also zum Mechaniker um das blöde Auto abzustellen. Noch ein Bisschen geknickter fährst du dann weter weil dein Parkplatz jetzt natürlich auch wieder weg ist, parkst einen halben km näher bei dir Zuhause und schlurfst voller Elan nach Haus. Währenddessen denkst du an alles, was als nächstes noch schief gehen könnte: Musst du jetzt alle deine Passwörter ändern, damit er sich nicht die PS4 oder Kondome oder andere unbezahlbar teure Dinge über deine E-Mailadresse bestellt? Facebook, damit er nicht peinliche Nachrichten veröffentlicht oder damit droht und dich erpresst? Gibt’s sowas überhaupt? Naja als du Hannah das dritte Jahr infolge einen Tag zu früh gratuliert hast hast du dich ein Bisschen geschämt, aber du hast dann so getan als wäre es Absicht, also eigentlich nicht das Ding, und sie hat es ja schließlich auch schon mitbekommen … Warum zum Geier hast du überhaupt versäumt einen verdammten Muster- oder Zahlencode zum Entsperren der Tastensprerre einzugeben? Bist du bekloppt? Scheiße man, die Fotos und die Nachrichten alle weg.
Erst beim Betreten der Wohnung fällt dir ein, dass du dein Handy ja zumindest nochmal anrufen könntest. Höchstwahrscheinlich längst ausgeschaltet und die SIM-Karte liegt in einem der Büsche, die jeden Morgen von Rudeln von Hunden frequentiert werden.
Du wählst die Nummer auf deinem Ersatzhandy und es klingelt, und kurz schöpfst du Hoffnung, dass vielleicht gleich jemand rangeht und dir sagt, er habe dein Handy und du könntest es abholen. Aber die Mailbox geht nach dem 5. Tuten ran. Du versuchst es noch vier Mal und sprichst dann eine Nachricht auf die Mailbox, die dich etwa 3 Wochen später mega outcreepen wird, wenn du deine Nachrichten abhören und du plötzlich von einem kläglichen Du aus der Vergangenheit angejammert wirst, doch bitte das Handy zurückzugeben und 50€ Finderlohn dafür zu kassieren. Dann ortest du das Ding noch schnell mit dem O2-Ortungssystem, merkst aber schnell, dass sich der Erfolg in Grenzen hält, da das in etwa dieselbe Präzision besitzt wie deine Hand, die Samstagmorgen um 3:47 versucht, den verdammten Schlüssel in die scheiß Haustür zu stecken. Ohne Licht, weil das jetzt zu hell wäre.
Dann verlässt du mit dem Handy und der Aldi-Talk-SIM-Karte das Haus, schwingst dich auf dein Bike und fährst nochmal zu dem verdammten Ort, verzweifelt hoffend, dass du es fledermausartig durch akustische Signale zu Orten vermagst, wirst jedoch auch hier enttäuscht. Als du das dritte Mal in dem Versuch scheiterst, aufzulegen, bevor die Mailbox rangeht, und die Durchsage ertönt, dass nicht mehr genügend Guthaben vorhanden ist, um weitere Anrufe zu tätigen, stellst du das Postulat auf, dass sich Scheiße gegenseitig anziehen muss, und fährst heim.
Du überlegst nun, dein Handy zu sperren, dagegen spricht allerdings diese kleine, zuletzt sterbende Stimme der Hoffnung, dass dieser Troll dein Handy einfach nicht gehört hat und vielleicht doch noch zurückruft, wenn er sieht dass 23 Mal dieselbe Nummer angerufen hat. Oder warum wäre es immer noch an, wenn er es verscherbeln wollte?
Am nächsten Morgen fährst du komplett überflüssigerweise nochmal kurz zu jenem traumatischen Ort, um bei Tageslicht nochmal nichts zu finden, kaufst dir im Anschluss Guthaben für Alditalk und steigst in deinen Bus. Seeehr erschöpft.
Du setzt dich neben so einen Zwerg der gerade Abi gemacht hat, weil trotz früher Stunde nirgends ein freier Doppelsitz zu finden ist, und du es aus im Nachhinein unerfindlichen Gründen für eine gute Idee hieltest, dich direkt neben der Toilettentür zu platzieren.
Du beginnst ein zunächst eher holpriges Gespräch mit besagter Sitznachbarin, damit du dich nicht so unwohl fühlst 7h auf engem Raum mit einer fremden Person, und nachdem sie merkt dass du nicht ganz der Mongo bist, als der du immer gern rüberkommst, stellst du erfreut fest, dass sie doch ganz nett ist. Und dass euch ein gemeinsamer Hass auf laute Menschen in Reisebussen verbindet. Dann teilt ihr noch die Erkenntnis, dass Leute, die es für eine gute Idee halten, sich in einem Fernbus neben die Toilette zu setzen, wahrscheinlich auch versuchen würden, einen Laborbrand mit Löschpapier zu löschen. Und schämt euch ein Bisschen.
Irgendwann auf der Fahrt bekommst du einen Anruf, Nummer nicht bekannt aber mit 030 beginnend, und hebst ab.
- Ja hallo, hier ist die Polizeiwache Abschnitt 41, Herr Stuckart, vermissen Sie’n Handy?
- Ja?!!
- Wie sieht’n dit aus?
- Ein blaues Samsung Galaxy S III mini?
- Ja allet klar dit is hier, können se sich abholen.
Nice.
Nachdem du dein Glück so langsam fassen kannst, holst du noch die Auskunft ein, dass ja, du durchaus auch in einer Woche erst dein Handy dort abholen kannst, wenn du aus dem Urlaub zurück bist, und legst entzückt auf. Doch mal was Gutes von oben, freust du dich.
To be Continued ...